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Abflussbremsen im Kanal
Harald Güthler hat ein Verfahren entwickelt, um Abwasserkanäle besser zu nutzen
von Christa Stuber
Eigentlich klingt es paradox: Regenwasser, das nach einem kräftigen Gewitterguss in der Kanalisation nicht abfließt, sondern zurückbleibt, spart Kosten. " Unser Lösungsansatz erfordert eine völlig neue Denkweise", erläutert Harald Güthler, Geschäftsführer des gleichnamigen rund 20-löpfigen Waldshut Tiengener Ingeniuerbüros, das von ihm in Zusammenarbeit mit der Fachhochschule Konstanz entwickelte HydrOstyx-Verfahren. "Das Ganze muss natürlich gezielt erfolgen, damit keine hydraulischen Konfliktsituationen entstehen. Und dies ist die eigentliche Ingenieursleistung, die hinter unserer Entwicklung steckt."
Auszeichnungen
Für ihr innovatives Verfahren erhielten die Güthler-Ingenieure im Sommer 2004 die Auszeichnung "Top100" vom Schirmherrn und ehemaligen Ministerpräsidenten Lothar Späth überreicht. Damit zählt das Unternehmen zu den innovativsten Betrieben des deutschen Mittelstandes. Ferner nahm Harald Güthler 1996 den Umweltpreis des Landkreises Waldshut und 2005 den der Sparkasse Pforzheim-Calw entgegen.
Dem Ingenieurteam gelang es in der ersten Entwicklungsphase, Fördergelder der Deutschen Bundestiftung Umwelt (DBU) zu erhalten. Für die Realisierung schlossen sich einige Städte, darunter Stuttgart und Stockach, im Rahmen eines Demonstrationsprojektes zu einer Gesellschaft zusammen und beantragten EU-Gelder aus dem LIFE-Umwelt Förderprgramm. Seit Mitte letzten Jahres ist das Programm abgeschlosssen und die beteiligten Kommunen konnten mit dem Einsatz des Hydrostyx-Verfahrens gegenüber einer konventionellen Lösung nachweislich Investitionskosten von bis zu 80 Prozent einsparen.
Kanäle sind überlastet
In vielen Kommunen stimmen durch die Erschließung von Neubaugebieten die Abmessungen der Abwasserrohre nicht mehr. Die Kanalnetze sind oft überlastet. Herkömmliche Sanierungsmaßnahmen erfordern meist die Auswechselung und Aufdimensionierung von Kanälen mit Investitionen in Millionenhöhe. " Und hier setzt unser Verfahren an", führt der Tiefbauingenieur weiter aus. "Wir verwenden versteckte Speichervolumen im Entwässerungssystem, halten Regen- und Mischwasser gezielt zurück, um damit einerseits Spitzenbelastungen zu vermeiden und anderseits, um es möglichst zur erfordelichen Mischwasserbehandlung einzusetzen." Was für die Gemeinden gilt, trift auch für die Industrie zu. "Derzeit führen wir Sanierungsverhandlungen mit einem großen Produktionsbetrieb" erklärt Güthler weiter.
Viele Kanalsysteme verfügen bereits über große Transportkapazitäten, die nur wenige Male im Jahr, meist nach starken Regengüssen, gefordert sind. Mit den eingebauten Abflussbremsen, verändert das Hydrostyx-System das Abflussverhalten im Kanalnetz und aktiviert bereits vorhandenes Volumen zu Rückhaltevolumen in Form von hintereinander geschalteten Speichekaskaden.
Die zwischengespeicherte Wassermenge wird dann langsam an die Kläranlage abgegeben. Dadurch lassen sich Überlastungssituationen im Klärwerk sowie Überschwemmungen und Gewässerverschmutzungen vermeiden. Die Umsetzung erfolgt durch den Einbau der speziellen Hydrostyx-Abflussbremsen in bestehende oder neue Abwasserkanäle. Im Prinzip handelt es sich dabei um preiswerte Drosselelemente, die ohne Fremdenergie, mit oder ohne Schwimmer, weitgehend wartungsfrei und betriebssicher funktionieren.
Die eigentliche innovative Ingenieurarbeit liegt im Vorfeld. Mit einen speziell entwickelten Softwareprogramm der Firma Tandler.com simulieren die Güthler-Ingenieure das Abflussverhalten im Kanalnetz unter verschiedenen Bedingungen. Datengrundlage bilden dabei die Regenreihen des Deutschen Wetterdienstes der letzten 30 Jahre. So finden sie das Optimum heraus, wann und wo Wasser mit der Hydrostyx-Abflussbremse zu drosseln ist. Die dafür notwendigen, umfangreichen Berechnungen erfolgen auf einem 64-Bit-Mehrprozessorrechner. Aber selbst dieses Arbeitstier schuftet je nach Netzgröße vier oder mehr Tage für eine Variantenberechnung wobei zahlreiche durchgespielt werden.
Überzeugungsarbeit
"Das größte Problem bei solch innovativen Verfahren ist, dass sie etwas verkaufen wollen, was es noch gar nicht gibt. Die müssen die Verantwortlichen überzeugen, dass es funktioniert-ohne es in der Akquisitionsphase mit Zahlen belegen zu können", so der Lehrbeauftragte im Bereich Siedlungswasserwirtschaft der Fachhochschule Konstanz weiter.
Inzwischen empfiehlt Güthler die Anfertigung einer vorherigen Machbarkeitsstudie und lacht: "Und wenn es machbar ist, machen wir es auch."
Hydrostyx-Verfahren
Das Waldshut Tiengener
Ingenieurbüro Güthler entwickelte das innovative Hydrostyx-Verfahren. Wie Styx, der trübe, schlammige Fluss der Unterwelt der griechischen Mythologie, dessen Wasser den Hades in sieben Windungen durchfließt und als Quellfluss neu entspringt, quält sich der Abwasserfluss durch unsere Kanalisationen und Kläranlagen um am Ende als sauberes Gewässer wieder auszutreten.
@Weitere Informationen: www.guethler-ingenieure.de
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